Michael Heizer

VERNISSAGE

Donnerstag 5. Dezember

18 – 21 Uhr

AUSSTELLUNG
5. Dezember 2013 - 5.März 2014
Mittwochs 17 – 19 Uhr

Einladung

Michael Heizer

"I don't paint around the edge", "ich male nicht um die Bildkante herum," erklärte Frank Stella 1964 in einem mit Donald Judd und dem Kritiker Bruce Glaser geführten Gespräch[i]. Darin wandten Judd und er sichgegen die europäischen Traditionen künstlerischen Komponierens und votierten für neue, "nicht-relationale"[ii] Positionen, wie sie es nannten. Dennoch legte Stella Wert darauf, keine 'Objekte' zu schaffen, sondern Bilder zu malen. Der von ihm verwandte tiefe Keilrahmen diene dazu, die Oberfläche eines Bildes hervorzuheben: "When you stand directly in front of the painting it gives it just enough depth to hold it off the wall; you're conscious of this sort of shadow, just enough depth to emphasize the surface. In other words, it makes it more like a painting and less like an object, by stressing the surface."

Anders agierte wenige Jahre später Michael Heizer, der einer anderen Generation angehörte als der acht Jahre ältere Stella.[iii] Für ihn, wie für viele weitere Künstler wie Richard Serra oder Robert Morris war der Diskurs um die Minimal Art und deren Reduktionen in eine Sackgasse geraten. Die große Anzahl erfolgreicher Künstler, die sogenannte "Shaped Canvases" oder Werke schufen, die unter dem Begriff "minimal" subsumiert wurden, hatte keinen Raum mehr für ähnlich arbeitende Künstler gelassen.

In der Literatur über Michael Heizer, Robert Smithson und Walter de Maria – Künstlern also, die als Earth oder Land Artists subsumiert werden –, wird deren 'Auszug' aus der Galerie und der Gang in die Wüste stets mit der gezielten Abkehr vom städtischen Leben und vom 'System Kunst', bestehend aus Galerien, dem Handel und den Museen, begründet. So schreibt Greta de Groat 1994 in diesem Sinne:"Artists began making earthworks in the 1960s as a reaction to the political and social climate both within and outside the art world. Artists felt alienated from the art market and museums, which were seen as unresponsive to artists' social concerns. One way to protest this situation was to remove art from areas controlled by the art establishment and locate them in public spaces, or even in remote wilderness areas."[iv] Und noch 2010 heißt es in einer Presseerklärung der Galerie David Zwirners – einer Galerie, der kaum anti-kommerzielles Denken attestiert werden kann: "By the late 1960s, Heizer had left the constraints of New York City for the deserts of California and Nevada, where he could create large-scale works that did not conform to the institutional and commercial boundaries of museums and galleries."Auch Heizer selbst behauptete 1970 im Gespräch mit Dennis Oppenheim und Robert Smithson, "daß fast alle Arbeiten die Galerien umgehen und daß die Künstler keinen Sinn fürs Kommerzielle oder Funktionale haben. […] Eine Auswirkung von Earth Art könnte es sein, der Kunst den Warenstatus vollkommen zu nehmen."[v]

Doch auch der so bewusst und programmatisch in der Wüste arbeitende Heizer wurde von der sammelnden Kunstwelt durchaus beachtet, und mit der Produktion von Zeichnungen, anderen Papierarbeiten, Gemälden und überschaubar großen, 'handelbaren' Skulpturen arbeitete er ihr zu. Heizers New Yorker Galeristin, Virginia Dwan, hat diese Selbstverständlichkeit 1984 in einem Interview auch völlig unbefangen bejaht; für sie war es keine Frage, daß das Angebot und der Verkauf von "gefügigen Tauschhandelsgegenständen"[vi] der einzige Weg war, als Galerie und Künstler zu existieren.

Die scheinbar überraschende Existenz von Zeichnungen Michael Heizers in München erklärt sich damit, daß Heiner Friedrich einer seiner frühesten und (für einige Jahre) auch intensivsten Förderer war: Friedrich finanzierte 1969 und 1970 die Five Conic Displacements, Triple Landscape, Munich Depression und Tangential Drawing[vii], und er richtete bereits im April 1969 Heizers erste Einzelausstellung überhaupt ein[viii]. 1969 war auch das Jahr, in dem Heizer Double Negative, sein vielleicht bekanntestes und in den Dimensionen gewaltiges Earthwork in der Wüste Nevada schuf. Und es war knapp ein Jahr bevor er bei Virginia Dwan seine erste Einzelausstellung in New York hatte.

Die Ausstellung bei Friedrich wartete für die Besucher mit einer Überraschung auf. Sie wurde in den regulären Ausstellungsräumen abgesagt und nach (Neu-)Perlach transferiert.[ix] Dort zeigte Heizer die Munich Depression, einen flachen Konus, den er in dem damals noch nicht urbanisierten Vorort hatte ausbaggern lassen[x]. Heiner Friedrichs Galerie war dabei kein Hort des gesellschaftlichen Widerstands. Sie zählte vielmehr – und dies in einem Münchener Ausstellungskatalog festzuhalten bedeutet im Grunde, Eulen nach Athen zu tragen – in den ausgehenden 1960er Jahren zu den führenden Galerien der Stadt, wenn nicht sogar der globalen Kunstszene[xi].

Entgegen allen Versuchen, einen echten 'Widerstand' Heizers und seiner Künstlerfreunde gegen das 'System Kunst' zu postulieren, ist festzuhalten, daß Heizer und die übrigen Earth Artists immer wieder Wege zurück in die Galerie beschreiten mussten, um sich und ihren Financiers die 'Eskapaden' der Arbeit im Außenraum überhaupt erst zu ermöglichen. Nicht zuletzt deshalb wurden also Zeichnungen, photographische Dokumentationen bzw. Kartenmaterial und weitere Arbeiten stets gehandelt. Bei den Zeichnungen ist dabei zwischen solchen zu unterscheiden, mit denen Gemälde oder Earthworks vorbereitet wurden und solchen, die sich als 'autonome' Zeichnungen kategorisieren lassen. In der Ausstellung finden sich Beispiele aller drei Typen, von denen einige hier exemplarisch analysiert seien.

Die Vorzeichnung zu dem Gemälde Untitled # 5 von 1967/1972 macht evident, wie wichtig Heizer die mathematische Berechenbarkeit und damit die Ent-Personalisierung, also die Abkehr von der tradierten Vorstellung, die subjektive Künstlerpersönlichkeit müsse in einem Gemälde sichtbar werden, war: So setzen sich das Gemälde und seine Vorzeichnung aus 36 quadratischen Einheiten zusammen, die aus jeweils 1/6 der Bildlänge und -höhe bestehen. Die ausgesparte Fläche beträgt 9 Einheiten (1/4 der durch das Grundquadrat umrissenen Einheiten), die gesamte mit Leinwand überspannte Fläche umfaßt 27 Einheiten (3/4 des Grundquadrats). Man wird davon ausgehen können, daß die zentrale Zeichnung in schwarzem Buntstift (die Binnenschraffur) und schwarzem Filzstift (die Umrisse) ein Resultat der am Rande des Blattes zweifach ausgeführten "künstlerischen Überlegungen" in Kugelschreiber war. Denn die beiden Kugelschreiber-Entwürfe sind rechts und links auf dem Blatt jeweils mit einer vertikalen Linie von der zentralen Zeichnung abgetrennt: Erst kam also die kühle Berechnung, ihr folgte die ästhetisch ansprechendere Version. Wenngleich für den Verfasser nicht alle Notate Heizers les- oder nachvollziehbar sind, läßt sich doch das Prinzip, ein Gemälde auf der Basis mathematischer Formeln und sogar auf Basis des karierten Papiers zu entwickeln, klar erkennen. Heizer greift in der Bleistiftzeichnung sogar die Grundstruktur des Papiers auf, nämlich Quadrate von 4 x 4 Untereinheiten zu bilden. Unterstützt wird diese Lesart durch eine Anmerkung Heizers am unteren Rand des Blattes: "Mathematical structure in composition which exists as my personality". Die Künstlerpersönlichkeit wird quasi durch die mathematische Struktur ersetzt. Entsprechend war im ausgeführten Gemälde der Farbauftrag frei von Strukturen, und damit bar einer künstlerischen Handschrift, während Heizer in der Vorzeichnung noch die später in Rot zu malenden Flächen schraffiert hatte. Wie so oft, erlaubt der Entwurf eine freiere, lockerere Ausführung dessen, was als strenges Endprodukt entstehen soll.

Die Arbeiten Five Saucer Depressions und Levitated Mass Olympia stehen beide in engem Zusammenhang mit Heizers Earthworks. Gleichwohl läßt sich auch hier noch einmal zwischen zwei verschiedenen Typen unterscheiden. Die Five Saucer Depressions betitelte, nicht monogrammierte oder signierte Zeichnung zu dem von Friedrich finanzierten Earthwork wirkt wie eine Entwurfs- oder Vorzeichnung, die zur Veranschaulichung von Heizers Plänen diente. Man kann sich durchaus vorstellen, Heizer habe das fast malerisch anmutende Blatt zunächst dazu benutzt, Friedrich davon zu überzeugen, die Arbeit Five Conic Displacements zu realisieren. Indiz dafür ist nicht nur, daß in Heizers handschriftlichen Notizen auf der auf 1969 datierten Zeichnung der Titel noch das Wort "Saucer", "Untertasse" enthält, was dem gigantischen Projekt eher eine etwas lächerlich anmutende Richtung gibt.Heizer hat das dann in dem vor allem deskriptiven Titel des ausgeführten Earthworks vermieden. Außerdem ging Heizer in seiner Vorzeichnung gegenüber den letztlich verwirklichten Maßen (4,5 m Durchmesser je konischer Vertiefung) noch von anderen, viel größeren Maßen der Ausgrabungen aus (nämlich ca. 12 m Durchmesser). Und er pries das Projekt als "fantastic drawings" (in die Erde) an[xii]. Schließlich beschrieb er in Teilen auch, wie er das Earthwork, bzw. seine runden Vertiefungen herzustellen gedachte: "circumscribed with stakes and string", also mit einem überdimensionalen Zirkel aus einem Holzpfahl und einem Tau.

Im Gegensatz dazu werden die Diptychen Levitated Mass Olympia und Levitated Mass eher Werke sein, die Heizer direkt als vermarktbare Ware geschaffen hat. Zum historischen Hintergrund dieser beiden Arbeiten sei erwähnt, daß Heiner Friedrich vergeblich versucht hatte, Michael Heizer für das Kunstprogramm der Olympischen Spiele 1972 vorzuschlagen[xiii]. Es spricht nun allerdings ziemlich viel dafür, daß gerade diese beiden Werke nicht dazu gedient hatten, Heizers Pläne gegenüber dem Kunstkomitee der olympischen Spiele zu veranschaulichen, sondern eben autonome Produkte für die Galerie waren. Denn warum hätte er für den Zweck der Bewerbung eine so komplexe und auch wenig technische (im Sinne von nachvollziehbare, als Grundlage für eine Konstruktion dienende) Collage auf der einen Seite und auf der anderen Seite eine Reproduktion eben dieser Collage auf einer Offsetdruckplatte aus Zink zu einem Diptychon vereinen sollen (Levitated Mass)? Und genauso wenig machte es Sinn, für eine Bewerbung um ein Projekt im öffentlichen Raum eine überaus schematische Darstellung auf großformatigem hochwertigen Zeichenpapier der Firma Schoellershammer zu entwerfen – losgelöst von jedem Ortsbezug, aber versehen mit einer hineincollagierten, getippten Kurzbeschreibung des Projekts, wie sie auch Lawrence Weiner hätte verfasst haben können – und diesen Entwurf dann wiederum auf einer Offsetdruckzinkplatte zu reproduzieren. Für die – olympischen Bürokraten und ihren technischen Notwendigkeiten genügende – Veranschaulichung eines Projekts waren diese Diptychen offensichtlich ungeeignet.

Die Zeichnung Battery schließlich ist keine Zeichnung im klassischen Sinne, sondern eine Übermalung einer fotografischen Abbildung wiederum auf einer Offsetdruckzinkplatte. Solche 'autonomen', dem Medium Zeichnung verwandten Arbeiten schuf Heizer von 1970 und bis in die 1980er Jahre. Ihr Grundprinzip besteht stets darin, ein abfotografiertes Objekt – oft mit deutlich dreidimensionaler Ausprägung, wie zum Beispiel Autobatterien, Milchkartons und Farbsprühdosen – zwei oder drei Mal auf einer Fläche abzubilden. Während dieses einmal trotz der gewählten Monochromie als Abbildung wiedererkennbar bleibt, werden die anderen Abbildungen entweder so sorgfältig übermalt, als seien sie auf die Zinkplatte projiziert worden, so daß gerade noch die Umrisse, nicht aber mehr die Binnenstrukturen zu erkennen sind. Oder die Farbe wird in gestischen Bewegungen aufgetragen, das abgebildete Objekt übermalt und mehr oder minder unkenntlich gemacht. Man kann dies ebenso als bildnerischen Diskurs über die Abbildungsfunktion von Kunst und insbesondere von gedruckten Reproduktionen von Objekten lesen wie als Auseinandersetzung mit dem Signifikanten, der als flächige Struktur auf einem Bildträger zunächst einmal zu sehen ist. Das Signifikat, also zum Beispiel die Bedeutung "Batterie" der abbildenden Reproduktion, wird in seiner Selbstverständlichkeit in Frage gestellt. Kunst, so könnte man zusammenfassen, ist das real existierende, direkt wahrnehmbare Objekt und nicht der Wunsch nach einer dahinterliegenden Symbolik. Mit einer solchen Argumentation greift Heizer die Diskurse der 1960er Jahre, denen er sich so verbunden fühlte, wieder auf.



[i] Das Gespräch wurde im Februar 1964 geführt und im Radio ausgestrahlt. Zwei Jahre später veröffentlichte es die Kritikerin Lucy R. Lippard in Art News.

[ii] Unter "un-relational" verstanden Stella und Judd symmetrische Kunstwerke – im Gegensatz zu Werken, die einer rationalistischen Tradition folgten und ausbalanciert waren. Das ausbalancieren, also "relational, synthesizing compositional methods" (Edward F. Fry, Sculpture of the Sixties, in: Art in America, Sept.-Okt. 1967, Bd. 55, Nr. 5, S. 26-28, 28) verknüpfte man mit der europäischen Tradition, die Symmetrie und Ganzheit mit den neuen US-amerikanischen Tendenzen.

[iii] Stellas ersten Ankauf durch das Museum of Modern Art in New York initiierte Alfred Barr bereits Ende 1959 in Folge Stellas Teilnahme an der prestigeträchtigen Ausstellung Sixteen Americans im MoMA; seine erste Einzelausstellung ebendort fand dann 1970 statt, als Heizer erst 27 Jahre alt war und erst wenige Jahre das Rampenlicht der Kunstszene hatte genießen dürfen.

[iv] Greta de Groat, Artists and the Environment: A Report From the 81st College Art Association Conference in Seattle (im Internet unter http://escholarship.org/uc/item/50r7n1c7 zu finden).

[v][v] Michael Heizer in: Gespräche mit Heizer, Oppenheim, Smithson, in: Robert Smithson, Schriften, 2000, S. 240-248, 244 (Discussions with Heizer, Oppenheim, Smithson, in: Smithson, Writings, 1979, S. 171-178; zuerst in: Avalanche, Herbst 1970).

[vi] Entsprechend äußerte sie sich in einem Interview von 1984: "Portable things. Yes, absolutely. […] We were his exclusive dealer for that. […] we were showing from time to time smallish works," (Virginia Dwan, in: Interview mit Charles F. Stuckey, 10. Mai 1984, Tonband Nr. 6, S. 17). Heizer hatte dagegen in seinem frühen Artforum International-Artikel gegen die "malleable barter-exchange items argumentiert" (Michael Heizer, The Art of Michael Heizer, in: Artforum International, Dezember 1969, Bd. 8, Nr. 3, S. 32-39, S. 34.

[vii] Friedrich hatte danach wohl noch angeboten, mit seiner Dia Art Foundation auch das große Projekt City zu unterstützen (siehe dazu: Philipp von Rosen, Outside and Inside the White Cube. Michael Heizer, München 2005, S. 111f.), Heizer hatte dies jedoch anscheinend abgelehnt, weil sich "die beiden […] überworfen hatten" (Michael Kimmelmann, Land Art: Michael Heizer, in: Art. Das Kunstmagazin, März 2000, Nr. 3, S. 52-60, 100f., S. 100). Es ist in diesem Zusammenhang interessant zu bemerken, daß Heiner Friedrich im Winter 1971 Double Negative gemeinsam mit Bruno Bischofberger an einen deutschen Sammler verkaufen wollte, was Heizer aber wohl verhindert hat (siehe dazu: v. Rosen, a.a.O., S. 113).

[viii] Erst im Januar 1970 stellte Heizer erstmalig in einer Einzelausstellung in New York aus und zwar bei bei Virginia Dwan.

[ix] Heizer hatte die Ausstellungsankündigung mit Bleistift ausgestrichen und das Produkt dieses Prozesses Line Drawing betitelt (Michael Heizer, The Art of Michael Heizer, in: a.a.O., S. 33).

[x] Eine knappe Tonne Schotter war seinerzeit für Munich Depression entfernt worden. Die Tiefe des Konus betrug etwa 5 m, sein Durchmesser ca. 30 m.

[xi] Die Bedeutung unter anderem von Heiner Friedrich hielt der Kunstkritiker Lawrence Alloway bereits im Oktober 1972 in einer documenta5-Kritik fest (Alloway, "Reality. Ideology at D5", in: Artforum International, Oktober 1072, Bd. 11, Nr. 2, S. 30-36, S. 30.

[xii] Die Verwendung des Begriffes "Zeichnung" für seine Earthworks kam bei Heizer immer wieder vor. Eine solche "Zeichnung" war ja auch das letzte von Friedrich finanzierte Projekt: Tangential Drawing.

[xiii] Das Projekt sei, so erfuhr die Kunsthistorikerin Anne Hoormann aus dem Büro des Architekten des Olympiageländes, aus sicherheitstechnischen Gründen abgewiesen worden (Hoormann, Land Art. Kunstprojekte zwischen Landschaft und öffentlichem Raum, Berlin 1996, S. 249, Fn. 15).