Kunst in der ehemaligen Metropol Tankstelle
„Ob der Gesichtssinn der ,edelste‘ des Menschen ist, darüber ist immer wieder intensiv gestritten worden. Doch selbst Skeptiker müssen zugeben, dass das Sehen uns einen umfassenderen Zugang zur Wirklichkeit eröffnet als der Tastsinn oder das Hören. Das Sehen, mit dem wir unsere Umwelt wahrnehmen, ist (...) ein geistiger Akt, der sich erst in der kognitiven Leistung des Erkennens vollendet (...). Der Vorgang des Erkennens setzt Erfahrung und Wissen voraus.“ 1
Für mich ist tatsächlich das Sehen die Hauptaufnahmequelle für Inspiration und Empfindung. Zum obigen Dreiklang der Sinne Sehen, Tasten, Hören wäre jedoch ein für meine subjektive Erfahrung mit Kunst entscheidendes Element hinzuzufügen: das konkrete und kognitive Raumempfinden. Die Auseinandersetzung mit Form und Raum ist die für mich in den letzten Jahren deutlich gewordene Klammer um die Künstler, deren Werke mich nachhaltig fesseln; da sind die körperliche Empfindung bei Raum bestimmenden oder abgrenzenden Skulpturen, die kognitive Nachverfolgung beim Lesen der in sog. „working drawings“ festgehaltenen Konzeptualisierung von Ideen oder die Betrachtung der Auseinandersetzung des Künstlers mit dem begrenzten Rahmen des Blatt Papiers einer Handzeichnung.
Die Inspiration durch ein Einzelwerk, meist eine Zeichnung als unmittelbarste Ausdruckform, folgte in meiner persönlichen Erfahrung dann regelmäßig das immer größer werdende Verlangen nach Kennenlernen der diesem Künstler eigenen Sprache.
Das oben angesprochene Wissen und die Erfahrung als Voraussetzung des Erkennens wurde durch die Auseinandersetzung mit verschiedenen Arbeiten eines Künstlers leichter zugänglich und erhellte zudem den Zusammenhang für jedes daraufhin zu entdeckende Einzelkunstwerk: Bezugspunkte wurden geschaffen. Es ergeht immer aufs Neue eine Einladung an den Betrachter, sich geistig und körperlich zu positionieren und sich so in Relation zum Kunstwerk zu setzen.
Eine solche Einladung an den Besucher auszusprechen, das Erkennen zu fördern und Ort zu sein, die subjektive Sinneswahrnehmung untereinander auszutauschen, soll Aufgabe des Metropol Kunstraums in den nächsten Jahren sein. So sollen für die Dauer von jeweils 3 bis 4 Monaten einzelne subjektiv ausgewählte Künstlerpositionen in mehreren Werken vorgestellt werden. Zu nennen wären hier beispielsweise Judd, Tuttle, Grosvenor, Sandback, LeVa, Lewitt oder nun als erste Position Gordon Matta-Clark. Ausstellungen werden zudem von jeweils einem Büchlein begleitet, das den ausgestellten Künstler mit einem kleinen Essay zu würdigen versucht.
1) Frank Büttner / Andrea Gottdang: Einführung in die Ikonographie, 2006, S. 11
WHEN WE KISSED THAT KISS
WHEN WE KISSED THAT KISS –
MICHAEL MÜLLER ZU GAST IM METROPOL KUNSTRAUM ANLÄSSLICH VARIOUS OTHERS
KÜNSTLERGESPRÄCH MIT MICHAEL MÜLLER
Mittwoch, 13.11.2024
19 Uhr
Öffnungszeiten:
Mi. 13.30 – 17.30 Uhr
Sowie nach Vereinbarung
Die Ausstellung When we kissed that kiss versammelt Werke des Künstlers Michael Müller von 2004 bis heute. Bekannt für seine großformatigen Gemälde und Zeichnungen, fokussiert sich der Künstler in der präsentierten Auswahl auf das kleine Format, das ein stark konzentriertes Destillat seiner konzeptuellen Herangehensweise an die Malerei erlaubt.
Gemeinsam ist allen Arbeiten, dass sie über einen langen Zeitraum entstanden sind und der Künstler immer wieder – teilweise über zehn Jahre wie bei dem titelgebenden Werk When we kissed that kiss (2013/23) – zu ihnen zurückkehrte, Änderungen, Erweiterungen, Neukonzeptionen, Reduzierungen vornahm. Die malerischen Untersuchungen reichen von der einfachen Frage nach dem Verhältnis von zwei aufeinandertreffenden Farben (Notation in Black and Yellow, 2014/22-23) über den Einfluss verschiedener Malwerkzeuge wie Finger (Das Auftreffen, 2013/16), Rakel (August, 2016), Pinsel, Lappen und Schwamm auf den kreativen Prozess bis hin zu Bearbeitungen der komplexen Verhältnisse von Motiv, Bild, Bildträger und dem Gemälde als physischem Objekt wie etwa in Grau auf Gelb (2021) – einer auf einen fünfeckigen Keilrahmen gespannten Leinwandarbeit, die nur knapp über dem Boden schwebt.
Ergänzt wird die Ausstellung durch zahlreiche zeichnerische Arbeiten, die in der Malerei angesprochene Themen aufgreifen und in einer dem Medium spezifischen Weise bearbeiten: So übersetzt die frühe, zweiteilige Zeichnung Eine Frage der Umgebung (2005) das Thema der „shaped canvas“ auf das Papier und untersucht die Wirkung verschiedener unregelmäßiger geometrischer Formen – als Motiv, Hintergrund, Begrenzung, Rand und Ausschnitt – und tritt so in einen vielschichtigen Dialog mit den Gemälden. Eine Vertiefung findet diese Auseinandersetzung in Müllers Untersuchungen zu vier Formen (2014), die jeweils vier abstrakte Formgebilde zeigen und nach deren Relationen zueinander fragen: Welche Auswirkung haben Isolation, Parallelität, Distinktion und wie entsteht selbst in abstrakten Zeichnungen durch partielle Überlagerungen Perspektive?
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