„Blinky Palermo – Drucksachen“

Ausstellung „Blinky Palermo – Drucksachen“ 
Zu Gast im Metropol Kunstraum
vom 9.11.2018 bis zum 25.1.2019
Vernissage und Katalogpräsentation
am 8.11.2018, um 19 Uhr
Besichtigung nach Vereinbarung.
Mit der Ausstellung „Blinky Palermo – Drucksachen“ ist zum zweiten Mal eine Ausstellung im Metropol Kunstraum zu Gast. Gezeigt werden nicht etwa Kunstwerke von Blinky Palermo, die in den vergangenen Jahren vielfach in Ausstellungen, zuletzt in München 2017 in der Sammlung Goetz, gezeigt wurden, sondern Drucksachen, also Kataloge, Plakate und Einladungskarten, die zum Künstler und zu seinen Ausstellungen entstanden sind. Diese decken einen Zeitraum von 1965 bis 2018 ab und geben so einen spannenden Einblick in die Ausstellungen und die Rezeption von Palermo von seiner ersten Ausstellung bis heute und nicht zuletzt über 50 Jahre Grafikdesign.
Wenn auch keine Arbeiten von Palermo gezeigt werden, so ist doch mit einer Edition von Olaf Nicolai, die sich auf Blinky Palermo bezieht, zumindest ein Kunstwerk in der Ausstellung zu sehen.
 
Interview von Markus Michalke mit Rüdiger Maaß zu Blinky Palermo am 9. Mai 2018
MM: Palermo fasziniert Dich – was war der Auslöser, Dich mit Palermo zu beschäftigen?
RM: Mein Zugang zu Palermo war einerseits intuitiv, und andererseits gab es eine biografische sowie eine formale Komponente, die, wenn ich mich richtig erinnere, zur Faszination geführt haben. Formal mochte ich an Palermo das Reduzierte, Minimalistische, was für mich eine gewisse Nähe auch zum Konstruktivismus hatte. Ich hatte mich als Schüler als Ausgangspunkt meiner gesamten Kunstbegeisterung für das Bauhaus interessiert, da kam der optische Reiz her. Zudem bin ich aus Düsseldorf, wo Palermo ja an der Akademie war und lange gelebt und gearbeitet hat. Ich habe auch in meiner Jugend viel Zeit rund um die Akademie verbracht und bin in dieselben Kneipen, z.B. den Ratinger Hof, gegangen, wo auch Palermo schon war. Das hat eine emotionale Nähe zu seiner Kunst geschaffen. Und dann gibt es noch diese intuitive Faszination, die ich nicht genau erklären kann, aber die Arbeiten haben mich unmittelbar angezogen. Vielleicht hat das auch mit dieser mystischen Künstlerpersönlichkeit zu tun, dem frühen Tod, was auf mich als jungen Menschen sicher eine Anziehung ausgeübt hat. 
Ich habe Palermos Werk zum ersten Mal wahrgenommen, als ich etwa 15 Jahre alt war. Auf der Kunstmesse in Köln habe ich dann, das war ungefähr 1986, eine erste Grafik von Palermo gekauft, was ein großer Schritt und viel Geld für mich war damals. Interessanterweise war es  das „Auto“, seine vielleicht „untypischste“ Grafik, die eigentlich gar so recht in das Gesamtwerk passt, und zudem interessieren mich Autos nicht. Aber es war das einzige Blatt, das angeboten wurde und das ich mir noch irgendwie leisten konnte, für 450 DM. Und von da aus ging es ganz langsam weiter, ich hatte ja als Schüler und Student nicht viel Geld. In den 1990ern gab es dann ein paar größere Palermo-Ausstellungen, im Kunstmuseum Bonn und im Graphikkabinett der ETH in Zürich, wo ich das erste Mal die Gesamtschau der Grafik gesehen habe. Damals wurde mir klar, dass ich gerne mehr Arbeiten von Palermo haben möchte, und ich habe begonnen, etwas systematischer dieses klar abgegrenzte Gebiet der Graphik von Palermo zu sammeln.
 
MM: Wie wichtig war und ist für Dich der persönliche Kontakt zu Leuten, die Palermo gekannt haben? Deine Begeisterung für Palermo grenzt ja fast an „Heldenverehrung“.
RM: Ja, da ist etwas dran. Insofern ist es für mich sehr spannend, mit Zeitgenossen und Wegbegleitern von Palermo zu sprechen, die mir nicht zuletzt auch zeigen, dass ich mit meiner Begeisterung nicht alleine bin. Wobei meine Begeisterung sich primär auf das Werk und nur sekundär auf die Person Palermo bezieht.
Der Kontakt zu Wegbegleitern kam aber erst recht spät, ab meiner Zeit in München, seit etwa 2000 zustande. Angefangen mit Fred Jahn, der Palermo aus seiner Zeit bei der Galerie Heiner Friedrich kannte, die Kontakte zu Sabine Knust und Six Friedrich hier in München oder Dr. Kurt Büsser aus Wiesbaden, über den ich auch Palermos Zwillingsbruder Michael Heisterkamp kennenlernen durfte. Auch sehr spannend waren Gespräche mit Herzog Franz von Bayern, der einer der größten Palermo-Sammler damals war und dann alles an die Pinakothek der Moderne gegeben hat, mit Moritz Wesseler, dessen Vater im Kabinett für Aktuelle Kunst in Bremerhaven drei ganz frühe und legendäre Palermo-Ausstellungen gemacht hat und nicht zu vergessen mit Thordis Moeller, die das Palermo-Archiv betreut und auch diese Ausstellung in wertvoller Weise unterstützt hat.
Diese Gespräche haben meine Begeisterung für Palermo mit den Jahren wachsen lassen, und ich habe mich auch immer mehr inhaltlich mit Palermo beschäftigt. So kam ich auch dazu, angefangen mit den Katalogen, immer mehr Drucksachen von Palermo neben den eigentlichen Kunstwerken zu erwerben. Es war spannend zu sehen, gerade wenn man an die Kataloge zu Lebzeiten und kurz danach denkt, wie Palermo damals rezipiert wurde, mit wem er ausgestellt hat und wurde, wo Ausstellungen stattfanden und wie die Reaktionen der Öffentlichkeit auf sein Werk waren. Diese Texte aus der frühen Zeit waren natürlich auch noch frei von jeder Mystifizierung, das kam erst nach seinem Tod. Auch die Beschäftigung mit seinen sonstigen Drucksachen, den Ephemera, wie Einladungskarten und Plakaten, fand ich interessant, nicht zuletzt, weil mir die Suche nach diesen Stücken wiederum viele interessante Gespräche mit Zeitgenossen von Palermo, wie Rudolf Zwirner oder René Block, ermöglicht haben.
 
MM: Mir kommt da gerade ein Gedanke: inwiefern wäre denn, vor dem Hintergrund, was Du gerade erzählt hast, eine „Oral History“ eine sinnvolle Ergänzung Deiner Sammlung? Solltest Du so etwas nicht initiieren, wo Du ja einen Zugang zu einigen von Palermos Zeitgenossen hast?
Es gibt bereits ein paar Kataloge, in denen explizit Zeitgenossen von Palermo zum ihm und dem damaligen Kontext interviewt worden sind. Aber hierbei gibt es auch Lücken. Zum Bespiel ist meines Wissens nach seine eigene Familie bislang nicht wirklich strukturiert zu Palermo befragt worden, das wäre natürlich sehr spannend. Ich sehe allerdings nicht, dass ich das initiieren sollte; das könnte z.B. die Galerie David Zwirner machen, die den Nachlass betreut bzw. vermarktet.
 
MM: Inwiefern war Palermo in die Gestaltung seiner Drucksachen involviert oder hat diese bestimmt?
RM: Hier muss man klar unterscheiden zwischen seinem eigenen graphischen Werk, das er alleine, angeregt durch seine damalige Galerie, wohl in Person von Fred Jahn, und in Zusammenarbeit mit ein paar Druckern gestaltet hat, und den Drucksachen und Ephemera, die wir hier in der Tankstelle zeigen. Die Graphik war für Palermo ein ganz eigener, teilweise mit dem restlichen Werk eng verbundener, teilweise davon getrennter Werkkomplex. Die Graphik und insbesondere der Sieb- und Foliendruck erlaubten es ihm, Arbeiten zu machen, die er mit seinen malerischen Mitteln so nicht erreichen konnte. Bei seinen Graphiken war Palermo auch sehr selektiv. Einige Entwürfe sind nach ersten Druckversuchen nicht umgesetzt worden, am Anfang auch das Blaue Dreieck nicht. Eine Graphik für den Kunstverein Münster hat er sogar nach der Veröffentlichung und Ausgabe an die Mitglieder zurückgezogen, weil er im Nachhinein mit dem Druckergebnis nicht zufrieden war. 
Die Drucksachen hat er, zumindest soweit es mir seine damaligen Galeristen erzählt haben, am Anfang teilweise noch selber gestaltet, insbesondere die ersten Plakate, wie das Gelbe mit dem weißen schrägliegenden „P“. Die meisten Drucksachen und Ephemera sind aber nicht vom ihm gestaltet, und mit einigen Entwürfen wäre er sicherlich auch nicht glücklich gewesen. 
Das ist mir nochmal wichtig zu betonen, dass in dieser Ausstellung keine Kunstwerke von Palermo gezeigt werden, sondern Dokumentationen seiner künstlerischen Arbeit und Karriere. Ich möchte daher die Bedeutung dieser Stücke, auch wenn sie oft selten und schwer zu bekommen sind, auf keinen Fall überhöhen. Das einzige Kunstwerk, was in der Ausstellung zu sehen sein wird, ist eine Edition von Olaf Nicolai, die auf einem Ausstellungsplakat von Palermo basiert.
 
MM: Welchen Umfang hat Deine Sammlung der Palermo Drucksachen, also der Kataloge und Ephemera, derzeit?
RM: Es sind ungefähr 450 Stücke. Dazu gehören Kataloge, Monographien und Gruppenausstellungskataloge, Plakate, Einladungskarten und Flyer, Editionsinformationen, als quasi Verkaufsunterlagen der Graphik, Briefe und viele Kleinigkeiten, bis hin zu einer Bonbondose mit Palermoaufdruck, ein „Werbeartikel“ eines Museums. Die unzähligen Artikel über Palermo aus Fachmagazin etc. sind nur teilweise im Original in der Sammlung, das Feld ist zu breit. 
 
MM: Warum beschäftigst Du Dich so sehr mit Palermo als historischer Position und nicht mehr mit Künstlerinnen und Künstlern aus Deiner Generation?
Ich beschäftige mich ja nicht nur mit Palermo. Er ist auch fast der einzige „historische“ Künstler, mit dem ich mich intensiv beschäftige. Ansonsten liegt das Interesse von meiner Frau und mir ja vor allem im jungen, zeitgenössischen Bereich. Aber auch Palermo sehe ich eigentlich nicht als historische Position. Ich empfinde ihn als nach wie vor sehr aktuell. Wir merken das auch immer, wenn junge Künstlerinnen und Künstler bei uns zu Besuch sind, dann gilt das Interesse eigentlich immer mehr Palermo als den zeitgenössischen Positionen. Und einige junge Künstler, wie z.B. Florian Auer oder Jonas von Ostrowski, haben auch ganz explizit Referenzen zu Palermo in ihr eigenes Werk aufgenommen. 
Palermo hat auch viele Sachen gemacht, die ich auch heute in der jungen Kunst spannend fände. So gibt es nur weniger Künstler, die den Raum über Wandarbeiten definieren oder Druckgraphik machen. Auch finde ich intelligente Übertragung von Alltagsdingen, die der Außenbemalung eines Flippers, wenn es die noch gäbe, oder eines Wandanstrichs einer öffentlichen Toilette bzw. eines Treppenhauses als Konzept in die Kunst nach wie vor spannend.
 
MM: Wenn man sich Deine Drucksachen-, aber auch Deine Graphik-Sammlung von Palermo von außen aus betrachtet, hat das ja, ketzerisch ausgedrückt, etwas von „Briefmarkensammeln“. Ist da was dran?
Ja, da ist natürlich schon etwas dran. Beide Bereiche sind irgendwo abgeschlossene Gebiete, die man theoretisch vervollständigen kann, auch wenn es bei der Graphik manche Arbeiten nur einmal gibt und diese in Museen sind; eine Komplettierung also faktisch nicht möglich ist. Und auch bei den Drucksachen sind viele Stücke nur in ganz kleinen Auflagen gedruckt und damals nicht aufbewahrt worden, so dass es nie ganz vollständig sein kann. Damit kann ich leben. Aber die Monographien möchte ich schon irgendwann mal ganz vollständig haben, da fehlt auch nicht mehr viel.
Worum es mir ja aber eigentlich geht, ist, wie vorher schon ausgeführt, dass man über die Drucksachen viel indirekt über Palermo und die Verortung seines Werks in der jeweiligen Zeit oder in verschiedenen Regionen lernen kann. Oder wie Arbeiten zu Lebzeiten noch von Palermo installiert worden sind. Aber auch die kleinen Geschichten, die man im Rahmen des Suchens nach diesen kleinen Objekten erfährt, machen Spaß. So hab ich mal im Internet die Einladungskarte einer Palermo-Ausstellung bei Rudolf Zwirner von 1970 gefunden und Rudolf Zwirner das erzählt. Er hat sich dann erinnert, dass bei der Ausstellung eine ganz wichtige Palermo Arbeit, bestehend aus einer blauen Scheibe und einem blauen Stab, die lange in der Sammlung Speck in Köln war, ausgestellt war. Am Eröffnungsabend ging es wohl hoch her, mit viel Kölsch bis spät in die Nacht. Und am nächsten Morgen sei dann die blaue Scheibe weg gewesen und nie wieder aufgetaucht. Palermo habe sie dann einfach nochmal gemacht. Solche Geschichten erfährt man dann eben, so nebenbei.
 
MM: Du sagtest vorhin, dass Du der Rezeptionsgeschichte der Werke von Palermo durch das Sammeln besonders nahe gekommen bist. Wie siehst Du diese Rezeption heute?
Das ist eine spannende Frage. Ich sehe heute, dass ich nicht alleine mit meinem Interesse für Palermo bin. So gibt es, neben all den großen und kleineren Ausstellungen, z.B. Instagram Gruppen mit vielen Followern, die sich mit Palermo befassen und Informationen posten, wie ein Bild von seinem Geburtshaus in Leipzig, mitsamt der Adresse. Als „Gegenleistung“ habe ich dann ein Bild eines Hauses in Düsseldorf geteilt, wo er gewohnt hat und dessen Treppenhaus als Vorlage für eine Wandarbeit und eine Graphik diente und in dem es zudem heute immer noch so aussieht wie zu Palermos Lebzeiten.
 
MM: Gibt es eine kleine Gruppe von Palermo-Begeisterten, mit denen Du Dich regelmäßig austauschst?
Ja, die gibt es. Wir informieren uns gegenseitig, wo es Ausstellungen und Veröffentlichungen zu Palermo gibt, schicken uns einander Kataloge oder weisen uns auf Auktionen und Werke im Handel hin. Es kommen aber auch international immer mehr Sammler dazu, die sich für Palermo interessieren, nicht zuletzt seit der Palermo-Nachlass von David Zwirner in New York vertreten wird; da ist alles teurer und professioneller geworden.
 
MM: Inwiefern werden Drucksachen auch in Zukunft, in der digitalen Welt, eine Rolle spielen, um das Werk der Künstler in Ausstellungen in den zeitlichen Kontext zu setzen?
Ich denke, dass sie auch in Zukunft ihre Berechtigung haben. Ich nehme wahr, dass zum einen gerade in digitalen Zeiten eine Rückbesinnung auf gedruckte Medien wieder zunimmt. Und ich sehe auch, dass bei historischen Ausstellungen immer mehr solcher Drucksachen gezeigt werden, bei Palermo z.B. 2006 in der Versicherungskammer Bayern und 2012 in der Kunsthalle in Leipzig. Und große Institutionen, wie das Getty Museum, kaufen solche Sammlungen auf und erforschen diese. Oder Museen stellen diese als Spiegel einer bestimmten Zeit aus, wie die Neue Nationalgalerie die Drucksachen aus der Sammlung Marzona.
Es scheint mir auch bei vielen Sammlern eine zunehmende Wahrnehmung an Drucksachen zu geben. Menschen, die Kunst lieben, mögen oft auch gerne schöne Bücher.
 
MM: Was erwartest Du Dir von der Ausstellung Deiner Palermo Drucksachen?
Erst einmal freue ich mich ganz persönlich darauf, die Stücke, die ich mir ja sonst immer nur, und wenn überhaupt, einzeln anschaue, in einer größeren Auswahl zu sehen und einmal einen Überblick über die Sammlung zu haben. Das Material ist ja sonst nur im Regal, in Ordnern oder in Schubladen verstaut. Schön ist auch, dass man schon in der Vorbereitung auf eine solche Ausstellung wieder einmal durch das ganze Material geht und auch die ein oder andere Lücke noch schließt. Zudem kann durch die Aufbereitung das Material jetzt auch digital zur Verfügung gestellt und weiter bearbeitet werden.
Für die Besucher der Ausstellung würde ich mir wünschen, dass sie anhand der Drucksachen ein wenig den „Geist“ der Arbeit Palermos und der Zeit erfassen können, den ich in diesen Sachen sehe, und zudem die Relevanz von Palermo zu Lebzeiten und bis heute erfahren können. Es soll also ein kleiner Ausflug nicht nur in die Kunst-, sondern auch in die Zeitgeschichte sein.
 
MM: Vielen Dank für unser Gespräch! Ich freue mich persönlich darüber, dass sich mit der Ausstellung hier in der Metropol Tankstelle ein schöner Kreis schließt, und das das, was mit der „Auto Graphik“ von Palermo begann, jetzt hier in der ehemaligen Tankstelle zum ersten Mal sichtbar wird, also das „Auto“ quasi zum Tanken fährt.